INTERVIEW MIT BEATRICE HUG: PURE EMOTION
Es freut mich sehr, dass wir uns hier in Arles zu dem wunderbaren Fotofestival treffen konnten und wir die Gelegenheit nutzen, uns ein wenig über Deine Arbeit auszutauschen. Du hast mit 13 Jahren Deine erste Kamera bekommen. Wusstest Du, dass das Deinen Weg als Künstlerin vorzeichnen wird? Ich habe schon früh geahnt, dass die Kunst sehr wichtig für mich sein wird.
Studiert hast Du Fotografie, Malerei und Illustration. Wie hat sich Deine Arbeit mit Schwerpunkt Fotografie entwickelt? Ich habe zehn Jahre gemalt und immer gleichzeitig fotografiert. Es war eine Bewusstwerdung, was ich sehe, warum ich das schön finde und was mich daran interessiert, um in meiner malerischen Arbeit mit diesen Erfahrungen gezielter in die Richtung zu gehen, die meiner Vision entspricht.
Und dann hast Du den Pfad der Malerei komplett verlassen.
Ja. Das lag zum einen daran, dass meine Fotografie meinen abstrakten Gemälden immer ähnlicher wurde. Zum anderen gefiel es mir sehr an der Fotografie, dass sie ein Teil der Realität bleibt. Ich verändere das Foto nicht. Es ist keine Malerei auf Photoshop, kein reines Produkt meiner Fantasie. Ich fotografiere einen Aspekt der Realität, die dadurch, dass sie auf diese Weise betrachtet wird, mir ihre Magie enthüllt. Diese Magie versuche ich dann umzusetzen.
Das Besondere an deinen Arbeiten ist, dass der Betrachter diese Magie bemerkt. Was ist der Hintergrund dieser Emotionen? Ist es eine persönliche Emotion oder ist es das Vermissen dieser in der Kunst oder der Gesellschaft, das Entäußern, das Darstellen von Emotionen, dass Du versuchst in Deiner Arbeit umzusetzen? Es ist sehr wichtig für mich, dass Kommunikation über Emotionen stattfinden kann. In unserer heutigen Zeit ist das Mentale sehr wichtig in der Kunst und in der Gesellschaft. Ich möchte den emotionellen Part durch meine Arbeit intensivieren. Oft entsteht die Idee zu einer Komposition in einem Moment, der mich berührt: Es kann ein Gedicht, eine Musik, eine Landschaft oder ein emotionaler Moment zwischen Menschen sein. Ich sehe dann das Wesen dieses Moments. Ich spüre es und es setzt sich quasi in mir als Vision zu einer Farbkomposition um. Mein Bild ist die Übersetzung dieses Moments in Farbe und Licht. Wer dieses abstrakte Farb-Licht-Bild anschaut, wird diese Farben und diese Komposition mit seinen eigenen Emotionen verknüpfen können.
Das heißt also, dass Du schon eine ganz klare Vorstellung hast? Zuerst entsteht eine Farbkomposition in meinem Kopf. Im Fall des Werkes „FIRE“ wurde sie ausgelöst beim Hören von Musik. In meiner Vorstellung haben sich Farben entwickelt, die den Rhythmus, das Temperament und die emotionelle Kraft der Komposition widerspiegeln. Eingebettet in samtenes Schwarz, strahlendes Gelb, Orange, Rot und Goldtöne, die für mich völlig kohärent mit der Musik sind. Über meine Installation mit Glasgefäßen und farbigen, transparenten Flüssigkeiten übersetze ich die Emotion, die beim Hören entsteht, in eine abstrakte, fotografische Farbkomposition. Wie Du weißt, arbeite ich mit Tageslicht – mit der aufgehenden oder untergehenden Sonne. Da die Sonne wandert, ist es nun so, dass die Installation zwar ein klares Ziel hat, dass aber erst der Prozess in der Arbeit zur detaillierten Umsetzung der Vision einer Komposition führt. Ich fotografiere Farbe und Licht, die durch die Installation transportiert werden, nicht die Objekte selbst. So entwickelt sich dann das Bild, das ich als wesentliche Übersetzung dieser musikalischen Komposition gesehen habe, aus der „FIRE“ entstanden ist.
Hat für Dich eine Farbe automatisch eine bestimmte Stimmung oder kann sie im Prinzip jede
Stimmung transportieren? Ist Blau z.B. obligatorisch kühl und Rot automatisch warm oder ist alles innerhalb der Farbe und damit natürlich innerhalb der Komposition offen und frei? Es ist offen. Allerdings war es mir jahrelang praktisch unmöglich, Blau in meine Arbeiten zu integrieren. Ich habe es einfach nicht geschafft, das Blau zu finden, das dem entsprach, das ich in der Vision hatte. Bis ich „Waves“ von Virginia Woolf gelesen habe. In diesem Moment habe ich Blau verstanden. Warum? Vielleicht die starke Emotion beim Lesen. Ich habe auf einmal gewusst, mein Blau muss warm sein, mein Blau muss so stark sein wie Rot.
Im Gegensatz zu vielen anderen blau-dominierten Werken, die zumeist einen eher kühlen Charakter haben, enthalten Deine Blautöne eine gewisse Wärme, fangen das Licht ein. Das hängt meiner Meinung nach auch mit den Bewegungen und der Tiefe in meinen Bildern zusammen. Es ist nicht nur Farbe, es sind keine reinen Flächen. Es wird sehr viel Dreidimensionalität, eine Form von Bewegung eingefangen.
Ich möchte nicht von Vorbild sprechen, aber gibt es einen Künstler, der – so wie Du – rein über die Emotionen, also die Vergegenständlichung von Emotionen arbeitet? Ja, Mark Rothko.